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TECHTALK // Kurven richtig kratzen

TECHTALK // Kurven richtig kratzen

TECHTALK // Kurven richtig kratzen

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Der Tech-Talk ist unsere  Serie zum Thema MTB-Fahrtechnik. Hier wollen wir nicht nur verschiedenste Techniken unter die Lupe nehmen, sondern alles miteinbeziehen, was uns und unsere Fahrweise beeinflusst. Dazu gehören nicht nur verschiedenste Gadgets an unseren Bikes oder besondere Verhältnisse, an die wir uns anpassen müssen, sondern auch individuelle Ausprägungen und Eigenheiten. Wie diese aussehen können, schauen wir uns von den Pros persönlich ab. Rein also in den Rennsport und von den Besten hilfreiche Tipps für den eigenen Trainings- und Bike-Alltag holen, um am Ende schneller, sicherer und mit mehr Spaß über die Trails zu fetzen. Viel Spaß beim Lesen!

Kurven//

Unsere liebsten Freunde sind sie nicht. Oftmals rauben uns Richtungsänderungen unsere hart erarbeitete Geschwindigkeit, den gerade eingetretenen Flow oder wollen uns die Bodenhaftung nehmen. Bevor du deine Freundschaft zu ihnen allerdings abschreiben und die Kurven an den Nagel hängen willst, denk daran, dass man an jeder Beziehung arbeiten muss, um diese auch glücklich gestalten zu können. Bis du mit Kurven allerdings so richtig gut auskommen wirst, gilt es einiges an Arbeit abzuleisten. Auch die Besten von uns werden daran ab und zu zurückerinnert.

Aber das richtige Kratzen der böswillig in deine Hometrails eingebauten Ecken oder Spitzkehren muss nicht zwingend ein Mysterium bleiben.

Kurven geben uns die Chance unseren Flow über die Dauer eines Trails eben nicht verschwinden zu sehen und sind eine Baustelle, an der wir unser ganzes Bike-Leben immer wieder basteln können. Wir wollten versuchen dem Thema „Kurven fahren“ auf den Grund zu gehen und dieses aus so manchem Winkel zu beleuchten. Vielleicht überdenkst ja auch du nach diesem Artikel deine ganz persönliche Beziehung zu ihnen. Denn vergessen wir nicht, Kurven sind ja wieder im kommen.

Die richtige Position & wovon diese abhängt//

Das Wichtigste auf unserem Rad ist, wie auch bei vielen anderen Hotspots in Sachen Fahrtechnik, unsere Position. Welch ein Glück, dass wir uns unsere Haltung schon ein paar Mal genauer angesehen haben. Für alle die ihre noch einmal abchecken wollen, hier die altbewehrte Grundposition, die auch die Ausgangsbasis für eine erfolgreiche Kurventechnik darstellt:

Unser Schwerpunkt liegt zentral über dem Rad. Dies schaffen wir durch ein Strecken unserer Beine, was uns aus dem Sattel hebt. Beide Pedale befinden sich in der Waagrechten, unsere Fersen heben wir etwas darüber, das Sprunggelenk beschreibt einen Winkel über 90°. Die Kniegelenke sind nur minimal abgewinkelt, das Gesäß ruht einige Zentimeter über dem Sattel. Die Ellenbogen sind stärker abgewinkelt, zeigen nach außen und sind bereit Stöße als erste Dämpfeinheit entgegen zu nehmen.

Für das erfolgreiche Bewältigen einer Kurve stehen uns verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Wann welche Taktik unser Golden-Ticket darstellt, werden wir uns noch genauer ansehen.

Grundtechnik:

Prinzipiell gehen aber alle von derselben Grundtechnik aus:

Aus der Grundposition wird durch ein simultanes Strecken des inneren Armes und Hinabführen des äußeren Pedals in die sechs Uhr Position das Rad in die Schräglage geführt. Die Position, die wir dadurch einnehmen, wird sich im ersten Moment wohl etwas instabil anfühlen. Um dem ganzen System Stabilität zu verleihen, wandert der äußere Ellenbogen nach außen und wir versuchen durch ihn und die äußere Schulter Druck nach vorne auszuüben. Dadurch und durch ein nach außen Drehen unserer Hüfte bringen wir unsere Wirbelsäule in einer gedachten, verlängerten Linie in die gewünschte Fahrtrichtung. Zusätzlich Druck nach innen können wir noch durch unser äußeres Knie ausüben, indem wir in Richtung des Rahmens drücken. Wichtig ist nun noch, dass wir auch dort hinsehen, wo wir am Ende landen wollen. Um in dieser Lage trotzdem noch Schläge entgegen nehmen zu können, empfiehlt es sich, unseren inneren Ellenbogen und das äußere Bein nicht zur Gänze durchzustrecken. Fertig ist unsere Kurvenposition!

Jolanda Neff zeigt beim Weltcupfinale in La Bresse zeigt vor wie es geht! (Bartek Wolinski / Red Bull Content Pool)

Ist diese Technik etwas komplett Neues für dich, empfiehlt es sich den Ablauf in ausgesteckten Kurven auf Wiesen ausgiebig zu üben, bevor du dich damit in wildes Gelände wagst. Vor allem der Wechsel von unserer Grundposition in die abgewandelte Form für Kurven stellt einen kurzen Moment an Instabilität dar, der in Verbindung mit Schlägen zu der einen oder anderen brenzlichen Situation führen könnte.

Unsere Pedale einmal in der Waagrechten lassen:

Genau das ist auch der Grund, warum diese Technik nicht in allen Situationen die richtige Antwort auf das Problem einer Kurve darstellt. Ist die Wegstrecke vor der Kurve oder der Kurvenradius selbst mit grobem Untergrund versehen, ist es oft die richtige Taktik beide Pedale nahezu in der Waagrechten zu lassen. Der Rest unserer Kurventechnik bleibt allerdings unverändert. Das Herauswandern unserer Hüfte wird allerdings, genauso wie das Strecken des inneren Armes und die Ausrichtung unserer Wirbelsäule, nur in abgeschwächter Form möglich sein. Druck mit dem äußeren Knie, sowie Arm können wir dennoch ausüben. Der große Vorteil liegt darin, dass wir unsere Stabilität der Ausgangsposition nie aufgeben müssen.

Die selbe Kurve, zwei verschiedene Techniken. Gerhard Kerschbaumer entschließt sich beim World Cup in Mont Sainte dazu, sein äußeres Bein nach unten zu stellen und sein Rad schräg zu legen… (Bartek Wolinski/Red Bull Content Pool)
… während Schurter beide Pedale in der Waagrechten belässt. (Bartek Wolinski/Red Bull Content Pool)

Bereifung//

Auch, wenn es um unsere Bereifung geht, wandert die richtige Technik zwischen diesen beiden Extremen. Die Schräglage unseres Bikes erfüllt ihren Zweck vor allem wenn wir mit deutlich ausgeprägten Seitenstollen unterwegs sind. Dadurch können wir diese so richtig in den Untergrund graben und werden mit exzellentem Grip belohnt. Sind wir auf Pneus mit geringerer Ausprägung eben dieser unterwegs, kann es sein, dass sich in die Schräge gerichtete Bemühungen nicht zwingend in besserem Halt widerspiegeln. Dann ist es die bessere Variante unserer Füße in der Waagrechten zu lassen und die Kurve in einer neutraleren Position zu bewältigen.

Das perfekte Beispiel von Jolanda Neff, wie man mit dem Oberkörper die Fahrtrichtung vorgeben kann. (Bartek Wolinski/Red Bull Content Pool)
Die Fahrtechnik zwischen XCO und Downhill unterscheidet sich in vielem. Hier zeigt Amaury Pierron aber perfekt, wie man mit dem äußeren Knie noch zusätzlich Druck auf das Rahmendreieck ausüben kann. (Bartek Wolinski/Red Bull Content Pool)

Fully – Hardtail//

Auch die Frage, ob du am Fully oder Hardtail unterwegs bist, entscheidet über die richtige Position auf deinem Bike. Bevorzugst du nur vorne gedämpft über die Trails zu heizen, ist eine aggressive Fahrweise über das Vorderrad das Erfolgskonzept. Über dieses erhältst du den Grip und kannst dich und dein Rad gezielt steuern. Verfügst du auch am Heck über eine funktionierende Dämpfeinhheit, kannst du den Schwerpunkt getrost etwas nach hinten verlagern.

Untergrund//

Der Untergrund ist es, an den du deine Art Kurven zu fahren am meisten anpassen musst. Schon bei der Vorbereitung auf die Kurve und bei der Einleitung dieser kannst du einiges richtig machen. Scanne die Anfahrt nach einer geeigneten Stelle ab, um deine Position aufzubauen und zu beginnen, Druck auszuüben. Hier sollten keine Schläge auf dich warten, die dich aus dem Konzept bringen könnten. Auch sollte es griffig sein, sodass du mit dem richtigen Grip in die Kurve startest. Auch während du deinen gewählten Radius abzirkelst, solltest du den Untergrund unter die Lupe nehmen und Stellen nützen, an denen du dein Rad mehr in die Kurve legen bzw. Druck geben kannst. In Teilen der Kurve, wo fiese Wurzeln oder Steine warten, ist es wieder an der Zeit eine etwas neutralere Position einzunehmen.

Nino Schurter beim World Cup in Val di Sole. Er hat die Richtung schon vor dem Drop gemacht. Das Rad ist in der Luft schon richtig ausgerichtet. (Bartek Wolinski/Red Bull Content Pool)

Linienwahl//

Die Linienwahl für eine normale Kurve scheint erstmal ziemlich simpel. Wer möglichst viel Schwung mitnehmen will, fährt eine Kurve außen an, nimmt den Scheitelpunkt der Kurve ins Visier, an dem man möglichst weit innen sein will, um sich zum Kurvenausgang wieder nach außen treiben zu lassen. Dieses Szenario findet man am Trail und auf der Rennstrecke in dieser Einfachheit selten. Oftmals gibt es im Kurvenverlauf natürliche Hindernisse, die es zu beachten gilt. Wurzeln, Steine oder anderes können die perfekte Line meist anders verlaufen lassen. Über sie, wie auch Stufen und andere knifflige Erschwernisse wollen oder können wir nicht zwingend unsere Richtung ändern.

Darum gilt, mache die Kurve wo es geht und ändere über Wurzeln oder Stufen nur leicht deine Richtung. Das macht es dir auch wenn es nass ist leichter, die Spur zu halten und die Kurve ohne Ausrutscher zu bewältigen. Nimm vor allem wenn es rutschig wird den Untergrund genau unter die Lupe und suche Stellen, die es dir ermöglichen Richtung zu machen. Hier helfen oft natürliche Anlieger, die wieder als „Rettungsanker“ dienen und dich zurück in die Spur bringen.

Tempo & Bremsverhalten//

Selbiges gilt für dein Bremsverhalten. Wer, wenn es rutschig wird, versucht Richtung zu machen und gleichzeitig fest in die Bremsen steigt, wird schnell einmal auf der Nase landen. Stellen die griffig sind, an denen dein Manöver nicht durch groben Untergrund gestört werden kann, sind genau richtig, um in die Eisen zu steigen.

Grundsätzlich gilt: in der Kurve willst du nicht bremsen! Hier brauchst du 100% des möglichen Grips, welcher sich durch blockierende Reifen in Luft auflösen könnte. Was bedeutet das für dich? Du musst bereits vor der Kurve die richtige Geschwindigkeit haben. Dies ist nicht immer ein leichtes Unterfangen, braucht es doch ein gewisses Feingefühl und viel Erfahrung, um genau richtig zu dosieren. Oftmals ist es besser vor der Kurve etwas mehr Tempo herauszunehmen, um umso schneller aus der Passage herauszuschießen. Musst du am Ende der Kurve noch einmal nachjustieren, um nicht im Gestrüpp zu landen, bedeutet dies wieder aus eigener Kraft auf das vorherige Tempo kommen zu müssen.

Übung macht den Meister//

Üben lassen sich die Techniken nicht nur am Trail. Vor allem um die eigenen Grenzen kennenzulernen, empfiehlt es sich, immer wieder einmal die Flaschen aus der Halterung zu nehmen ,um sich eine schöne Kurve oder einen Slalom in eine weiche Wiese zu zaubern. Hier kannst du zwischen Wechsel des äußeren, unteren Fußes oder waagrechter Pedalposition hin und her probieren und herausfinden, was besser zu deinem Fahrstil passt. Probiere auch einmal einen engen Slalom, ohne viel Richtungsänderung auf hartem Untergrund im Flachen aus und versuche durch Drücken Beschleunigung zu erzielen.

Du siehst schon, Kurven sind ein Thema, das einen als MountainbikerIn nicht mehr so schnell loslässt. Viel Spaß beim Üben und später viel Freude mit deinen neuen Eindrücken am Trail!

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