Auf Siebenmeilenstiefeln zur Regeneration
Was versprechen Recovery Boots – und was können sie wirklich? Wir haben uns schlau gemacht und stellen zwei Produkte vor.
Kennt ihr das? Ihr wacht am Morgen nach einem langen Tag im Sattel benommen auf, und schon am Weg zum Kühlschrank machen euch eure Beine schwere Vorwürfe über das, was ihr da gestern angerichtet habt? Mit Höhenmetersammeln ist vorerst mal nichts – dabei wäre gerade das schönste Wetter, und Wochenende, und überhaupt. Profi müsste man sein, denkt ihr euch: Direkt aus den Pedalen auf den Massagetisch, um am nächsten Tag wieder fit am Start zu stehen. Aber dreimal die Woche ins Massagestudio zu tingeln kommt dann doch zu teuer, und dem Partner oder die Partnerin will man den Dienst am geschundenen Bein auch nicht immer zumuten.
Nun: Es gibt Abhilfe. Für all jene, die bereit sind, ein paar hundert Euro zu investieren, haben mittlerweile zahlreiche Unternehmen Recovery Boots auf den Markt gebracht. Das sind, vereinfacht ausgedrückt, überdimensionale Strumpfhosen, die mittels Luftdruck die geschundenen Beine durchkneten sollen. In der Fachsprache nennt man das “Intermittierende pneumatische Kompression”, aber Recovery Boots klingt einfach eingängiger.
Weniger Laktat, mehr Beweglichkeit
Und wie genau sollen die Dinger wirken? Studien sollen nachgewiesen haben, dass eine Massage mit einem der Geräte den Abtransport von Laktat aus den Muskeln beschleunigt – das sagt die Werbung. Die Boots sollen so Muskelschmerzen und Muskelkater lindern. Auch soll die Beweglichkeit durch die Anwendung gesteigert werden – was für Radfahrer, die notorisch schlecht gedehnt sind, durchaus hilfreich sein könnte. Anbieter und Geräte gibt es mittlerweile in praktisch allen Formen, Farben und Größen. Vorstellen wollen wir euch hier daher zwei Geräte, deren Fokus vor allem auf ihrer flexiblen Einsetzbarkeit und Transportierbarkeit liegt: Die Reboots Go Lite und die Compex Ayre.
Reboots Go Lite und Compex Ayre für den Hausgebrauch
Reboots bezeichnet seine Go Lite selbst als “das kleinste Recovery-Boots-Gerät der Welt”, und will sich damit klar von anderen Produkten aus dem eigenen Haus absetzen, etwa die Reboots One, die für den stationären Einsatz geschaffen wurden. Gesteuert werden die Boots, die in drei verschiedenen Größen daherkommen, entweder direkt am Gerät oder über eine App. In der App gibt es zusätzlich zur Auswahl zwischen drei verschiedenen Massageprogrammen auch die Möglichkeit, individuelle Voreinstellungen zu Dauer und Druck-Level abzuspeichern. Geknetet werden die Beine in sechzehn verschiedenen Intensitätsstufen mit bis zu 180 mmHg. Mit zwei Stunden Akku sollte man auch bei gehörigem Muskelkater recht weit kommen.
Die Zielgruppe der Ayre von Compex ist ähnlich gelagert: Vor allem “Therapeuten, Trainer, Elite- und Freizeitsportler, die viel unterwegs sind”, sollen damit ihre Freude haben. Sie packen mit bis zu 120 Mmhg zu, dafür hält der Akku mit bis zu drei Stunden um eine gute Stunde länger. Die 120 mmHg sind nach Angaben von Compex übrigens auch der medizinisch empfohlene Höchstdruck für die Kompressionstherapie. Das Modell bietet zwei verschiedene Programme – bei einem blasen sich die vier Luftkammern von den Füßen kommend nach oben auf, beim anderen beginnen alle Kammern gleichzeitig zu pumpen. Optisch kommen die Stiefel noch eine Spur cleaner daher als die Reboots, da sie gänzlich ohne Kabel und externe Schläuche auskommen.
Während die Compex Ayre auf der Website des Herstellers mit 649 Euro gelistet sind bekommt man die Reboots Go Lite bereits ab 499 Euro – wobei beide Unternehmen Ratenzahlung anbieten. Das klingt erstmal nach jeder Menge Holz für viel Luft am Bein. Der Preis relativiert sich aber dann, wenn man ihn in Verhältnis zu den 30 bis 45 Euro setzt, die man durchschnittlich für eine halbstündige Massage hinblättert.
Das sagt die Forschung
Und was sagt die Wissenschaft zu alldem? Manche Studien scheinen die beschleunigte Regeneration durch intermittierende pneumatische Kompression durchaus zu belegen. Sie sollen etwa den Abtransport von Blutlaktat beschleunigen. Auch die muskuläre Schmerzempfindlichkeit unter Belastung soll damit gesenkt werden. Andere Studien hingegen wollen herausgefunden haben, dass die Boot-Massage bei nachfolgender Trainingsbelastung zu einem schnelleren Laktatanstieg führt. Eine Metastudie aus dem Jahr 2021, die die Ergebnisse von 29 anderen Studien zusammenfasste, kam zu dem Schluss, dass Recovery Boots zwar keinen unmittelbaren Einfluss auf die körperliche Leistungsfähigkeit haben. Allerdings würden sie sich statistisch nachweisbar positiv auf die Beweglichkeit der Beine und den Abbau von Muskelkater auswirken.
Für wen also sind die Boots zu empfehlen? Zweifelsohne für alle, die sich “Marginal Gains” auf die Fahnen geschrieben haben – die also jedes mögliche Prozent aus ihrem Training herauskitzeln wollen. Außerdem für alle, die ein schlechtes Gewissen dabei haben, wenn sie faul bei einem Serienmarathon auf der Couch liegen – mit Recovery Boots an den Beinen haben sie immer eine gute Rechtfertigung dafür, schließlich geht es um ihre Regeneration. Und schließlich für alle, die experimentierfreudig sind und gerne mal was Neues ausprobieren. Mit den Recovery Boots haben sie bei der nächsten Gruppenausfahrt sicher ausreichend Gesprächsstoff.
Text: Michael Windisch